Äußere ich mich zur Schreiblosigkeit, so meine ich damit nicht das Pendant zu einer Sprachlosigkeit, einer absichtlichen oder unbeabsichtigten Unsagbarkeit. Auch beziehe ich mich dabei nicht auf die weitaus bekanntere Schwester, die Schreibblockade. Denn es fehlen mir weder die Ideen noch die Worte, die sie umsetzen.
Tatsächlich bewege ich mich täglich vor einem sprudelnden Gewässer auf und ab, aus dem ständig Ideen und Phrasen zu fantastischen Welten aufsteigen und hängenbleiben – meistens an Notizzetteln.
Doch eine Zeit lang blieb selbst das unnachgiebige Prasseln auf den Duschboden erfolglos. Die Inspiration dahinter verging klanglos. Ich selbst blieb, was besagte Ideen und Phrasen betrifft, schreiblos.
Sobald ich die Ideen und Phrasen nämlich niedergeschrieben hatte, brach Lärm durch den Moment. Lärm, der nach Frühstück verlangte. Lärm, der mich antrieb, meinen Beitrag zum Haushalt zu leisten. Lärm, der mit anderen fantastischen Welten lockte, bereit, entdeckt und erfahren zu werden – und eine Zeit lang durchaus Erfolg hatte.
Schreiblos glücklich in meiner eigenen Welt
Nun, ich bin nicht Deine typische Hobby-Autorin, die Dir erzählen wird, wie sie schon als Kind leidenschaftlich zu schreiben begonnen hat und auch heute immer wieder zu Schreibfeder und Schmöker greift. Oder die Dich gleichzeitig mit Anleitungen dazu bewirft, wie Du Dich von Deiner eigenen etwaigen Schreiblosigkeit befreist, wenn wir schon einmal dabei sind.
Ja, ich habe damals zur Einschulung allen Fragenden erzählt, ich würde eines Tages „Schreibstellerin“ werden. Allerdings hatte ich auch Jahre danach noch nicht das geringste Interesse an Büchern, geschweige denn daran, eines zu lesen.
Ja, ich habe schon mit 16 Jahren versucht, ein Buch zu schreiben. Nicht aber, weil ich mich berufen fühlte und es sich mir wie auf magische Weise aufgezwungen hätte, sondern weil ich mir in den Kopf gesetzt hatte, so meine persönliche Website zu füllen.
Und ja, ich habe auch über die Jahre hinweg immer mal wieder eine Geschichte geschrieben, jedoch die wenigsten beendet und selbst davon nur eine eingereicht.
Schreiblos, aber nicht (schreib-)faul
Die meiste Zeit war ich nun einmal beschäftigt.
Beschäftigt damit, an meinem Schreibtisch Texte zu studieren und für diverse Nebenjobs zu verfassen; während ich davon träumte, in einem modernen Verlagsbüro auf- und abzustöckeln. Beschäftigt damit, die schicksalshaften Weichen zu legen, die mich zu meiner großen Liebe führen würden; ihn dann kennenzulernen und meine Zeit mit ihm zu verbringen.
Beschäftigt damit, mir auszudenken, wer ich in den vielen fantastischen Welten würde sein wollen, die ich in Büchern, Filmen und Spielen besuchte. Bis mir irgendwann aufging, dass mich angesichts des Mangels moderner Toiletten keine zehn Pferde in irgendeine dieser Welten gebracht hätten.
Trotzdem waren sie fesselnd, diese fantastischen Welten – und sind es immer noch, wenn ich an ein Ereignis im letzten Monat zurückdenke: Gebannt schaue ich auf den Bildschirm und greife wie selbstverständlich nach einem Taschentuch neben mir. Gerade halte ich es mir vor die Nase, da wird mir schlagartig bewusst, dass es die Protagonistin im Film ist, die wie ein Schlosshund heult. Nicht ich.
Dabei sind wir durchaus selbst Helden in einer Geschichte, nicht wahr? In einer Welt, die wir gemeinhin Realität nennen. Hier stellen wir uns unzähligen Herausforderungen und orchestrieren – bewusst oder unbewusst – die unvergesslichsten Dramen. Meine eigenen schaffen es jedenfalls mit Leichtigkeit, mich zeitweise aus den fantastischen Welten anderer herauszureißen.
Ja, unsere Welt ist fantastisch geworden. Es ist eine Welt, in der alles möglich und gleichzeitig nichts zu fehlen scheint. Die einen nahezu nötigt, all das Vorhandene zu genießen.
Wie ich meine Schreiblosigkeit genossen habe, weißt Du ja jetzt. Angesichts der vielen Welten, die ich besucht habe, hat meine Schreiblosigkeit aber auch etwas anderes in Gang gesetzt. Etwas Wichtiges, wie ich meinen will.
Fantastisch gesprengte Fesseln
Denn nach all den vergnüglichen Stunden war ich mir schmerzlich bewusst, dass für mich die Welt eines anderen kreativ erschöpfbar ist. Und dass sie es auch dann ist, wenn ich sie selbst gestalte. Die Welten anderer spielen nicht nach meinen Regeln. Niemals.
Ist es denn nicht natürlich, sang- und klanglos in einer Welt zu vergehen, die nicht dafür gedacht ist, dass ich darin mit meinen Geschichten strahle? Macht es nicht Sinn, dass ich über kurz oder lang an meine Grenzen stoße, weil es nicht meine Welt ist? Dass ich zwar meine „Weiterdichtung“ dieser Welt zur Schau stellen kann, sie aber trotzdem nie völlig mir gehören wird? Oder dass ich unter all den längst anderweitig unterhaltenen Menschen keine Anerkennung zu erwarten habe?
Ich wollte endlich etwas finden, das mir langfristig Freude bereitet. Eine Freude, die nicht auf passiver Unterhaltung beruht, sondern auf dem Weg, den ich selbst gehe. Etwas, in das ich vollständig eintauchen kann, und das viele Jahre lang. Etwas Unbegrenztes.
Etwas, bei dem ich mein eigenes Potenzial testen, eine Grenze nach der anderen überwinden, und mich von dem leiten lassen kann, was wirklich meine Neugier weckt.
Endlich will ich herausfinden, wie meine eigene Handschrift klingt – frei von den Schablonen und Maßstäben irgendwelcher Textformate und Juroren. Ich will meinen und Wert auf das legen, was ich schreibe. Ich will schreiben als ich selbst.
Vor allem aber hat sich in mir der Wunsch geregt, meine Zeit besser zu nutzen. Ja, mir wurde bewusst, wie wichtig die Geschichte ist, in die ich eintauche. Wie wichtig die Welt ist, in der diese spielt. Erst dann erhebt sich auch eine Figur aus den Mengen, in die es sich hineinzuversetzen lohnt.
Lange habe ich gewartet. Gewartet auf Welten, die sich nicht eröffnen. Auf Welten, die ich eigentlich selbst schreiben und an denen ich immer weiterschreiben könnte.
Von der Schreiblosigkeit zu neuen Schreibprojekten
Obwohl ein solches Schreibprojekt längst existiert.
Ein Schreibprojekt mit einem klaren Fokus, das immer und immer erweitert werden kann. Ein Schreibprojekt, das zurzeit noch aus vielen notierten und unnotierten Ideenfragmenten besteht. Ungeschrieben, doch schon jetzt fesselnder als all die anderen Welten, die es vor ihm gab – was mich betrifft jedenfalls.
Manchmal sitze ich an meinem Laptop, in glückseliger Ignoranz darüber, was ich ursprünglich vorgehabt hatte, und ich schreibe. Ich schreibe wild drauf los. Plötzlich ist all die Lethargie verschwunden, mein Herz rast und bei jedem Schlag fürchte ich, den nächsten Satz schon wieder vergessen zu haben. Die fantastischen Welten anderer rücken derweil in den Hintergrund, so wie auch diese Website eine originäre Dunkelheit umgibt, die dafür sorgt, dass ich mich voll und ganz aufs Schreiben konzentrieren kann.
Ich habe nicht die geringste Ahnung, wohin mich das Ganze führen wird.
Wer weiß, vielleicht werden Dir meine Schreibprojekte gefallen und Du lobst sie. Ich werde mich gebauchpinselt fühlen und es ein wenig auf mich herabrieseln lassen. Bis mich mein Manager dabei unterbricht. (Meinen Schreibfortschritt findest Du hier.)
Vielleicht lässt Du Dich sogar durch meine Schreibprojekte inspirieren und vorantreiben. Viel mitbekommen werde ich davon wahrscheinlich nicht, aber ich lasse es mir auf keinen Fall entgehen, an meinem Autogramm zu feilen und sorgfältig auf all meine E-Mails zu antworten. (Meinen Newsletter abonnierst Du hier.)
Und möglicherweise werden mir meine Mühen vergütet. Dann ist zumindest auch mein Manager zufrieden.
Vielleicht geraten meine Schreibprojekte aber auch schnell in Vergessenheit oder sie bleiben es von Anfang an. Doch sollte dies nicht der Fall sein, so will ich dem Ganzen noch etwas einhauchen, das ebenjenen Gedächtnisstarken ein vierblättriges Kleeblatt am Wegesrand sein soll. Ein bisschen Glück und Magie.
Inmitten all der fantastischen Welten trete ich hervor und schaffe mir meine eigene.
Das ist der Plan.